Ein Leben gegen den eigenen inneren Rhythmus ist schwer vorstellbar, weil im Gehirn der Taktgeber sitzt, der uns zum Frühaufsteher oder Langschläfer macht und der festlegt, wann wir uns durch Hochphasen und Leistungstiefs bewegen.
Im Zentral-Nerven-System befindet sich eine Region von der Größe einer Erbse, der sogenannte suprachiasmatische Nukleus, das als komplexes Regelwerk unseren individuellen chronobiologischen Takt vorgibt. Seine Signale empfängt dieser Hirnkern von speziellen Sinneszellen für Lichteinfluss im Auge, und diese Signale werden an alle Zeitschaltuhren und Zeitmesseinheiten im Körper weiter geleitet. Solche Neben-Zeiteinheiten sind im gesamten Organismus verbreitet, sowohl in den Organen als auch bei der Hormonregulation und in der Aktivität des vegetativen Nervensystems.
An vorderster Front steht dabei die Regulation der Schlafzeit, bei der die Menschen in Nachtigallen oder Lerchen eingeteilt werden. Während die Nachtigall-Typen abends sehr aktiv sind und morgens nicht aus den Federn kommen, erkennt man die Lerchen daran, dass sie am Morgen besonders leicht aufstehen und direkt ins volle Leben starten können. Von diesem Zeitmanagement des Schlafes gehen viele chronobiologische Signale aus, die über Stoffwechselprozesse, die Variationen der Körpertemperatur, des Blutdrucks und der Hormonbalance entscheiden. Die in der Nacht gestarteten Reparatursysteme der Zellen erhalten ihr Startsignal ebenfalls über diese chronobiologischen Systemmeldungen.
Für den modernen Menschen in der westlichen Welt ergibt sich aus der chronobiologisch festgelegten Ausstattung ein Problem, weil weder das abendliche Dunkelwerden noch der morgendliche Sonnenaufgang den Tagesablauf bestimmen. Die täglichen Anforderungen bestehen aus nächtlichen Arbeitszeiten, viel zu schneller Überwindung von Zeitzonen, soziale Events oft erst spät am Abend eingeplant sind und sich bis zum frühen Morgen hinziehen können. Dadurch divergieren die Schlaf- und Wachzeiten oft erheblich vom Schlaf-Wach-Rhythmus, besonders ausgeprägt ist dies bei Schichtarbeitern und anderen Menschen mit wechselnden Arbeitszeiten, wie beispielsweise das Personal in einem Krankenhaus. Oder das Flugzeug bringt die Menschen in kürzester Zeit über viele Zeitzonen, die den Tagesrhythmus vollkommen durcheinander bringen. Jeder kennt das Phänomen eines Jetlag nach solchen Reisen, ein ähnliches Gefühl stellt sich auch bei Schichtarbeitern und Personen mit konstant wechselnden Arbeitszeiten ein.
Die Ursachen eines Jetlags sind sehr vielschichtig, und werden in erster Linie durch einen chronischen Schlafmangel und die erheblich irritierten inneren Prozesse der Chronobiologie hervorgerufen. Die Folgen chronischen Schlafmangels sind in einigen Zusammenhängen bereits aufgeklärt. Es ist bekannt, das Menschen von zu geringer Schlafdauer immer mehr Körpergewicht zulegen und stark zu Übergewicht und Adipositas neigen.
Das Immunsystem dieses Tag-Nacht-Dilemmas verliert zunehmen an Leistungs- und Abwehrfähigkeit, die Betroffenen leiden häufiger unter Erkältungskrankheiten, sie können einen Diabetes mellitus entwickeln und bei genetischer Disposition sogar ein Krebsleiden ausbilden.
Aufgrund des fest angelegten Chronotyps, man ist als Lerche oder Nachtigall, sollte man sich mit dieser Feinjustierung der eigenen Körperfunktionen auseinandersetzen und diese kennenlernen. Kleine Kinder gehören häufig zu den früh erwachenden Lerchen, und quälen dadurch die Eltern, die sich im Laufe ihres Lebens oft zu Langschläfern entwickelt habe. Das bedeutet, dass die individuelle Chronobiologie sich mit zunehmendem Lebensalter verändern kann und einige zu Frühaufstehern und andere zu Langschläfern werden. Dies wirkt sich auch auf die Leistungsfähigkeit auf, weil die Frühaufsteher bereits am Vormittag die höchste Leistungsfähigkeit aufweisen, während die Nachteulen erst am späten Nachmittag oder gegen Abend richtig aufdrehen können. Auch die sportliche Leistungsfähigkeit folgt diesem Muster, so dass jeder seine eigene Chronobiologie kennen und die täglichen Leistungsanforderungen auf die Zeiten der eigenen Bestform legen sollte.